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Kampagnen und Soziale Bewegungen
Strukturell gibt es fast nur Widersprüche, was eine “Kampagne” im Kern ist, und was wir unter “Sozialen Bewegungen” verstehen. Die Kampagne ist heute ein Begriff aus dem Marketing und meint in Kurzform: Werbekampagne. Die militärische Wurzel des Begriffs ist so weit aber nicht entfernt, aus dem Feldzug wurde der Werbefeldzug. Was für den Feldzug gilt, hat auch für die Marketingoffensive grundlegende Bedeutung. Es wird ein Ziel und ein Zeitraum für die Zielerreichung definiert, es werden Terrain, Ressourcen und Risiken analysiert, es wird die Strategie entworfen und planmäßig Schritt für Schritt werden die für die Kampagne gebündelten Ressourcen zum Einsatz gebracht. In der Definition eines Marketing-Lehrbuchs, zum Beispiel «Business Campaigning» von Peter Metzinger, heißt das auf den Punkt gebracht: «Eine Kampagne ist die planmäßige und befristete Bündelung von Kommunikation sowie direkter Eingriffe in Prozesse und Zustände zur Durchsetzung eines Zieles.» Sie sind Mittel zum Zweck, Maßnahmen, die im Wege des Projektmanagements umgesetzt werden.
Soziale Bewegungen zeichnet in fast jeder Hinsicht das Gegenteil von Kampagnen aus. Wir haben es mit einem ebenso vielschichtigen wie weitreichenden gesellschaftlichen Phänomen zu tun. Unter einer sozialen Bewegung verstehen die Sozialwissenschaften dezentral, lose und informal vernetzte Individuen und Gruppen, die eine geteilte Perspektive und gemeinsame Handlungsausrichtung in Bezug auf einen brennenden sozialen Konflikt verbindet. Soziale Bewegungen sind also Antworten auf soziale Konflikte, wie die Unterdrückung der Arbeiter_innen, die Unterdrückung der Frauen, die Zerstörung der Umwelt. Soziale Bewegungen beziehen emanzipatorische Position in einem gesellschaftlichen Problemfeld und zielen auf sozialen Wandel ab, auf Veränderung der herrschenden Bedingungen, die von vielen Individuen und Gruppen als nicht (mehr) akzeptabel abgelehnt werden. Wenn die Vielen sehr viele und damit ihre Anliegen sichtbarer werden, bildet sich eine kollektive Identität und Identifikation mit der Bewegung aus. Sie wird zum gesellschaftlichen Player und gewinnt Handlungsmacht. Dabei zeichnet die Soziale Bewegung beziehungsweise die «Neue Soziale Bewegung» aus, dass sie in diversen, heterogenen und dezentralen Organisationsformen agiert, dass nebeneinander verschiedene Strategien der Mobilisierung greifen und dass in der Bewegung ganz unterschiedliche Handlungstaktiken Anwendung finden können.
Arbeiterbewegung, Feldzug, Frauenbewegung, Kampagne, Konflikt, Marketing, Netzwerk, Ökologiebewegung, Organisation, Planung, soziale bewegung, Sozialwissenschaften, Studentenbewegung, Werbung
[...] können Kampagnen viele Ziele und Hintergründe haben. Dementsprechend viele Beispiele für Kampagnen gibt es: Von solchen für einzigartige “kleine” Produkte bis hin zu Länder [...]
“Soziale Bewegungen zeichnet in fast jeder Hinsicht das Gegenteil von Kampagnen aus.”
Kann man das so gegenüberstellen? Wenn ich richtig verstehe, dann ist eine Kampagne eine Maßnahme, eine soziale Bewegung eine Form der Selbstorganisation. Die so organisierte Bewegung könnte sich doch ohne weiteres ua der Maßnahme der Kampagne bedienen.
“Eine Kampagne ist die planmäßige und befristete Bündelung von Kommunikation sowie direkter Eingriffe in Prozesse und Zustände zur Durchsetzung eines Zieles.”
Klingt für mich wie eine Definition dessen, was #unibrennt geleistet hat – nur dass die dahinterstehenden Entscheidungsprozesse halt im Rahmen einer wie eine soziale Bewegung strukturierten Organisation abgelaufen sind, anstatt zb einer Agentur, Partei oder Zeitung. Oder würfel ich da die Kategorien selbst unzulässig durcheinander?
Lieber Markus, du legst den Finger auf einen misslungenen, weil uneleganten und dadurch leicht missverständlichen Satz.
Ich denke, wir sollten da noch mal drüber gehen und das bündiger, genauer, eleganter formulieren.
Dennoch kann mensch das gegenüberstellen, denke ich doch. Deinen Widerspruch sehe ich auch nicht, da steht zudem nirgends, dass Soziale Bewegungen sich nicht der Massnahme der Kampagne bedienen würden, könnten, sollten.
Angesprochen ist die strukturelle Widersprüchlichkeit, die auch in den Beiträgen von Robert Misik und Marco Zlousic angedeutet und im Artikel von Philipp zum zentralen Thema gemacht wird. Unibrennt würde ich btw keine planmäßige Bündelung von Kommunikation unterstellen, #unibrennt war eben kein planmäßiges Projekt, glücklicherweise nicht. So etwas wie #unibrennt oder stuttgart21 ist nicht planbar.
Gut, im Kontext der anderen Texte versteh ich besser, woher die Gegenüberstellung kommt. Könnte aber vielleicht deutlicher sein, dass hier zwei unterschiedliche Dinge verglichen werden, nicht zwecks begrifflicher Abgrenzung sondern struktureller Auseinanderhaltbarkeit.
Es steht nicht da, aber ich hab aus der Gegenüberstellung auf die prinzipielle Gleichartigkeit/Gleichrangigkeit geschlossen.
War die planmäßige Bündelung der Kommunikation nach außen nicht ein wichtiges Dauerthema (Forderungskataloge, Pressestelle etc)? Sind Hörsaalbesetzungen nicht exakt “Eingriffe in Prozesse und Zustände zur Durchsetzung eines Zieles”? War nicht gerade das Besondere an der Sache, dass sie – wennauch spontan – so gut koordiniert war, dass man eben doch von planmäßigem Vorgehen sprechen kann? Kann man da Organisationsform nicht von Handlungsform trennen?
Aber ich seh ein: man kann entweder eine Kampagne entwerfen und dabei die Zielgruppenaktivierung per sozialer Bewegung und Community-Bildung einplanen und anstoßen (Obama) oder die Bewegung entsteht aus einem anderen Moment heraus, organisiert sich selbst und zielt dann – ua – darauf ab, eine (kampagnenartige) Kommunikationsstrategie nach außen zu entwickeln.
Soziale Bewegungen und Kampagnen unterscheiden sich nach meiner Auffassung durch bestehende oder fehlende (zentrale) Planmässigkeit. Sowohl Kampagnen als auch soziale Bewegung sind auf Ziele gerichtet, NGO-Kampagnenen in der Regel ebenso wie soziale Bewegungen auf (Teilaspekte) sozialen Wandel(s).
Während aber bei sozialen Bewegungen Strategie, Taktik und Mitteleinsatz dezentral entsehen würde ich eine Kampagne als planmässigen, meist zentralen Einsatz der Ressourcen verstehen.
Dabei gibt es auch konzeptuelle Vermischungen, wie etwa das open campainig, wo in kampagnenmässig vorgegebenen Strategien auch Raum für dezentrale Aktionen besteht, oder andere Ansätze, bei denen auch Strategie und Taktik öffentlich, dh dezentral verhandelt werden.
Markus, auch empirisch vermischen sich die beiden Phänome, in meinem Beitrag verwende ich sie als analytische Konzepte, um einen wünschenwerten Lernprozess bei NGOs zu beschreiben.
Lg, Philipp
[...] nur die Vorbereitung, die Debatten und die Ergebnisse der Schlichtungsgespräche. Die vielseitige Protestbewegung betreibt zudem noch diverse Websiten und Foren, neben den schon genannten Parkschützern [...]
[...] einen progressiven Neubeginn. Das kommt nicht alle Jahre vor. Aber lernen kann man von der Obama-Kampagne dennoch [...]
[...] dieser ver.di-Aktion finden sich auf dem «Mindestlohn-Blog» sowie auf YouTube. Mit der Hungerlohn-Kampagne zugleich lief in 100 deutschen Kinos ein ver.di-Werbespot namens «Klar zur Wahl. Gegen Markt [...]
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